Es ist Mai. Der Winter hat noch immer einen Fuß in der Tür, aber wir hatten bereits im letzten Jahr vereinbart, dass wir 2013 gemeinsam in die Vogesen fahren, und nicht zum jährlich stattfindenden Treffen vom 9. bis zum 12. Mai nach Thüringen.
Wir, das sind mein Kumpel Dietmar und ich, und die Maxime „Vogesen oder Thüringen“ nehme ich nicht ganz so ernst, denn zumindest ich halte mir die Option offen, im Anschluss an unsere Tour doch noch in Richtung Rudolstadt durchzustarten.
Heute ist aber erst der 1. Mai, und wir fahren gerade los. Am 9. Mai müssen wir dann zurück sein, also schauen wir mal, was sich ergibt.
Wir starten vom vereinbarten Treffpunkt in Düsseldorf und haben vor, angesichts des relativ langweiligen Umlandes, in dem man auf der Landstraße meist nur so dynamisch unterwegs ist, wie ein Wasserfloh in einem Glas Honig, das erste Stück über die Autobahn zu fahren.
Bei Weilerswist wechseln wir auf die Landstraße und fahren unser erstes Ziel an, das Rhein-/Mosel-Gebiet mit Sehenswürdigkeiten, wie der Loreley, Bacharach und vielem mehr.
Die Gegend ist ausgesprochen sehenswert. Der Rhein windet sich auf seinem Weg zur Moselmündung bei Koblenz am Felsen der Loreley entlang. Man sollte übrigens Clemens Brentano keinen Glauben schenken. Die Loreley ist nicht bei Bacharach zu finden, sondern vielmehr bei St. Goarshausen ein gutes Stück stromabwärts.
Obwohl die Loreley zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten Deutschlands zählt, ist sie im Grunde nichts Besonderes. Daher zieht sie mittlerweile auch hauptsächlich ausländische Touristen an, die mit Bussen hergekarrt werden, um die üblichen Fotos zu schießen, die zu Hause aussehen, wie die der Nachbarn, nur eben mit anderen Gesichtern.
Auch wenn der Blick auf den Rhein hier sehr schön ist – bei Bacharach ist er schöner, und dahin führt uns die weitere Route.
Bacharach
Von der B9, die am Rhein entlang verläuft, fahren wir durch eine recht kleine Unterführung in der Stadtmauer und finden uns im Mittelalter wieder. Sofort habe ich das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmt, kann aber nicht genau festmachen, woran es liegt.
Später wird mir klar: Es ist der krasse Gegensatz zwischen der Stadt, die den Anschein erweckt, dass man allenfalls Ochsenkarren zu erwarten hat und der Tatsache, dass der Verkehr ins Umland mitten durch den Ort führt.
Da wir im Vorfeld bewusst darauf verzichtet haben, Unterkünfte zu buchen, beschließen wir, in der Jugendherberge vor Ort unser Glück zu versuchen. Diese befindet sich in Burg Stahleck, welche ihrerseits über Bacharach thront. Wir haben Erfolg und bekommen ein Zimmer für uns allein, obwohl die Burg fast ausgebucht ist, und nachdem wir unser Zimmer bezogen haben, wollen wir uns Bacharach ansehen.
Dazu müssen wir einen nicht unerheblichen Höhenunterschied bewältigen, was angesichts der noch immer recht feuchten Witterung in eine Rutschpartie auszuarten droht.
Unverletzt erreichen wir aber auf halbem Weg die Ruine der Wernerkapelle, die heute als Mahnmal zum „geschwisterlichen Umgang der Religionen“ dient.
Der Name der Kapelle bezieht sich hierbei auf einen Jungen namens Werner, für dessen Tod gegen Ende des 13. Jahrhunderts Juden verantwortlich gemacht wurden. Dazu wurde die Geschichte eines Ritualmordes konstruiert, was eine Welle der Gewalt gegen die Juden auslöste. Der ebenfalls aus der Geschichte entstandene „Wernerkult“ hielt sich bis in die 1960er Jahre, und sogar noch heute ist Werner von Oberwesel ein Heiliger der katholischen Kirche.
Bacharach selbst ist, wie bereits angedeutet, ein Ort mit fast vollständig erhaltener Bausubstanz aus früheren Zeiten – sehr viel früheren.
Die Fachwerkhäuser stehen ein wenig schief, wie es heutzutage Mode ist und sogar der Dorfbrunnen, der bis 1900 in Gebrauch war, ist noch erhalten. Der vor dem Brunnen aufgestellte Fisch mit Beinen gibt Rätsel auf. Ich habe nicht herausfinden können, welcher Sinn (oder Unsinn) dahinter steckt. Lediglich die Assoziation des Fisches ohne Fahrrad drängt sich auf.
Direkt parallel zur rheinwärts gelegenen Stadtmauer verläuft die Bahntrasse. Das ist, obwohl man im Ort selbst nicht viel davon mitbekommt, ein wenig schade, und beim Gang über die Mauer wirkt sich das dann auch ausgesprochen störend aus.
Einige Wohnungszugänge befinden sich hier oben, da die außen liegenden Häuser wegen der geringen Fläche der Stadt mit der Stadtmauer verbunden sind.
So schön Bacharach auch ist – ich beineide niemanden, der dort in unmittelbarer Nähe des Zugverkehrs wohnen muss.